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Lexikon der Biologie: Mendelsche Regeln

Mendelsche Regeln, Mendelsche Gesetze, die von G. Mendel um 1865 erarbeiteten und von C.E. Correns, E. von Tschermak und H. de Vries um 1900 unabhängig voneinander wiederentdeckten Gesetzmäßigkeiten der Vererbung (Genetik). Die Ergebnisse seiner über 10.000 Kreuzungsversuche (Kreuzung) mit Erbsen ( vgl. Infobox ), also diploiden Organismen (Diploidie), faßte Mendel in 3 Regeln zusammen, die später nach ihm benannt und durch weitergehende genetische Vorstellungen ergänzt wurden:
1. Mendelsche Regel, Uniformitäts- und Reziprozitätsregel: Kreuzt man 2 reinerbige (homozygote; Homozygotie) Eltern (Parentalgeneration, Abk. P) miteinander, die sich in 1 bzw. mehreren Genorten (d.h. den Allel-Paaren [Allel] dieser Genorte) und somit Merkmalen unterscheiden, so erhält man eine 1. Tochtergeneration (Filialgeneration, Abk. F1), die genotypisch (Genotyp) und phänotypisch (Phänotyp) einheitlich (uniform) ist. Bei dominant-rezessivem Erbgang (Dominanz) wird in der F1-Generation der Phänotyp nur eines Elters (dessen, der das dominante Merkmal reinerbig trägt) realisiert; bei intermediärem Erbgang liegt der Phänotyp der F1-Generation zwischen den Phänotypen der Eltern. Die uniforme Merkmalsausbildung der F1-Generation bleibt auch erhalten, wenn bei der Kreuzung das Geschlecht der Eltern vertauscht ist (reziproke Kreuzung).
2. Mendelsche Regel, Spaltungsregel, Dominanzregel: Kreuzt man die Hybride (Bastard) der F1-Generation unter sich (Selbstung), so ist die nächste Nachkommengeneration (Enkelgeneration, 2. Filialgeneration, Abk. F2) nicht mehr uniform. Die Genotypen und Phänotypen der F2-Generation spalten statistisch bei Untersuchung einer genügend großen Anzahl an Nachkommen in einem bestimmten Zahlenverhältnis auf. Dieses Zahlenverhältnis hängt sowohl davon ab, in wieviel Genorten sich die Eltern voneinander unterscheiden, als auch davon, ob ein dominant-rezessiver oder ein intermediärer Erbgang vorliegt. Bei einem monohybriden, dominant-rezessiven Erbgang erhält man in der F2 eine Aufspaltung der Phänotypen im Verhältnis 3:1 (3 ist die Häufigkeit des Phänotyps des Elters mit dem dominanten Merkmal, 1 die Häufigkeit des Phänotyps des Elters mit dem rezessiven Merkmal). Bei einem monohybriden intermediären Erbgang erhält man in der F2 eine Aufspaltung der Phänotypen im Verhältnis 1:2:1 (1 ist die Häufigkeit des Phänotyps des einen Elters, 2 die des Phänotyps der F1-Hybriden und 1 die des Phänotyps des zweiten Elters). Bei einem dihybriden (Dihybride) dominant-rezessiven Erbgang erhält man schließlich in der F2 eine Aufspaltung der Phänotypen im Verhältnis 9:3:3:1. Hinter den Phänotypen stehen jeweils bestimmte Klassen von Genotypen (die 4 verschiedenen Phänotypen der F2 bei einem dihybriden dominant-rezessiven Erbgang werden z.B. durch 9 verschiedene Genotypen bedingt). Das Aufspaltungsverhältnis der Merkmale in der F2 verändert sich, wenn ein Merkmal polygen bedingt ist (Polygenie). Die Spaltungsregel wird auch als Regel von der Reinheit der Gameten bezeichnet, da aus der Art und Weise der Aufspaltungen hervorgeht, daß jeder Gamet der Eltern für eine Merkmalsausbildung nur 1 Allel mit sich brachte, also in bezug auf diese Merkmalsausbildung „rein“ war. – Ein Sonderfall der Merkmalsaufspaltung liegt vor bei Rückkreuzung eines F1-Hybriden mit dem reinerbig rezessiven Elter, d.h. mit dem Elter, der beide möglichen Allele eines Genorts für das rezessive Merkmal trägt ( vgl. Tab. ). Man erhält in der Nachkommenschaft (Rückkreuzungsgeneration, Abk. R) eine Aufspaltung der Phänotypen im Verhältnis 1:1 (Häufigkeit des Phänotyps des Elters mit dem dominanten Merkmal:Häufigkeit des Phänotyps des Elters mit dem rezessiven Merkmal). Die Rückkreuzung mit dem reinerbig rezessiven Elter ist auch eine Methode, um Reinerbigkeit oder Mischerbigkeit (Heterozygotie in bezug auf einen Genort) eines Individuums festzustellen. Bei Reinerbigkeit des zu prüfenden Individuums tritt in der Rückkreuzungsgeneration nur 1 Phänotyp auf (derjenige des reinerbig dominanten oder derjenige des reinerbig rezessiven Elters). Ein solcher Nachweis für ein Individuum ist natürlich nur möglich, wenn von diesem eine genügend große Anzahl von Nachkommen erzeugt werden kann.
3. Mendelsche Regel, Regel von der freien Kombinierbarkeit der Merkmale bzw. der Allelenpaare, Regel von der Neukombination der Merkmale bzw. Allelenpaare, Regel von der unabhängigen Aufspaltung der Merkmale bzw. Allelenpaare: Bei einem dihybriden oder polyhybriden Erbgang (polyhybrid) spalten die einzelnen Genorte (d.h. die Allelenpaare der Genorte) und damit auch die jeweils bedingten Merkmale in der F2 unabhängig voneinander auf, d.h., sie werden unabhängig voneinander vererbt und sind frei miteinander kombinierbar. Bei einem dihybriden Erbgang können z.B. beide Genorte mit 2 dominanten, aber auch mit 2 rezessiven Allelen in einem Organismus vorliegen. Zwischen diesen extremen Möglichkeiten sind in einer genügend großen Population alle theoretisch denkbaren Kombinationen realisiert. Die 3. Mendelsche Regel gilt aber nur für Allele von Genen, die nicht auf einer Koppelungsgruppe, d.h. auf dem gleichen Chromosom, lokalisiert sind ( Chromosomen I ). Die Allele von Genen einer Koppelungsgruppe, d.h. eines Chromosoms, werden nicht statistisch verteilt, sondern werden gemeinsam (d.h. gekoppelt) vererbt, sofern keine Entkoppelung (Rekombination durch Crossing over)zwischen ihnen stattfindet. – Die wichtigste Schlußfolgerung aus den Untersuchungen, die allerdings erst bei der Wiederentdeckung der Mendelschen Regeln gezogen wurden, war, daß Erbfaktoren (Gene) distinkte partikuläre Einheiten sind, da sich auf andere Weise das Auftreten von Spaltungen und Neukombinationen nicht erklären läßt. – Die Mendelschen Regeln gelten nicht für Gene, die nur von der Mutter vererbt werden (maternale Vererbung). Bateson (W.), cytoplasmatische Vererbung, Fischer (Eugen); Mendelsche Regeln IMendelsche Regeln II .

G.St./U.K.

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